Umfrage Altstandorte und Leerstände
Kommunen im Kreis Gütersloh gehen nicht genug gegen Flächenfraß vor
GNU-Umfrage über „Altstandorte und Leerstände“ lässt viele Fragen offen.
Im Kreis Gütersloh werden weiter in großem Umfang landwirtschaftliche Flächen und Naturraum für Straßen, Gewerbe oder Wohnen verbaut. Nach Angaben von Information und Technik NRW sind von 1992 bis 2013 nahezu 4000 Hektar an Siedlungs- und Verkehrsfläche hinzugekommen. Mittlerweile sind das 21.000 Hektar, ein Fünftel des Kreisgebietes. In Ostwestfalen-Lippe werden neben dem Kreis Paderborn im Kreis Gütersloh am meisten naturnahe oder landwirtschaftliche Böden für solche Zwecke geopfert, anstatt Altstandorte und Leerstände intensiver zu nutzen und auf eine Flächen sparende Bauweise zu setzen. Die Gemeinschaft für Natur und Umweltschutz e.V. (GNU) hat deshalb im Herbst 2015 mit Unterstützung der Stiftung für die Natur Ravensberg die „Umfrage Altstandorte und Leerstände“ gestartet und den 13 Kommunen des Kreises Gütersloh einen Fragenkatalog zugesandt.
Zehn Kommunen haben mehr oder weniger detailliert geantwortet, drei jedoch nicht: Schloß-Holte Stukenbrock, Langenberg und Herzebrock-Clarholz. Die Antworten zeigen, dass die meisten Kommunen den nachhaltigen Umgang mit Boden ernst nehmen. Sie zeigen teilweise auch, welche Faktoren u.a. die zwingend notwendige Wende im rasanten Flächenverbrauch behindern. Und sie zeigen, welche Daten bisher nicht zu Rate gezogen wurden.
Mitten in einer 76 ha großen, teilweise welligen, auch mit Grünflächen, kleinen Baumgruppen durchsetzten landwirtschaftlich genutzten Fläche wird ein industrieeller Siedlungskern gesetzt - das interkommunale Industriegebiet Versmold Borgholzhausen IBV. Es ist zu befürchten, dass später keiner mehr darüber ein Wort verlieren, wenn dort erweitert wird.
Die Ergebnisse im einzelnen:
Daten über Altstandorte und Leerstände sind nicht durchgehend erfasst. Mancherorts werden sie sogar als nicht notwendig erachtet (s.a. unter Harsewinkel, S. 8 der Umfrage ).
Besorgniserregend ist die unverminderte Ausweisung neuer Baugebiete. Kommunen bewerben offensiv „neue Wohngebiete im Grünen“, wollen andererseits aber den Schutz von Freiflächen sicherstellen (Werther, Blotenberg). Und es werden unverantwortlich viele Grün- und Ackerflächen und Landschaftsschutzgebiete zu Wohngebieten umgewandelt, obwohl es andernorts bereits genutzte Flächen mit leer stehenden Immobilien gibt (Halle: Klingenhagen, Wohntürme „Sandkamp“).
Die GNU kritisiert, dass sich die Kommunen dem wirtschaftlichen Druck nach neuen Flächenausweisungen oft sehr schnell beugen. So hat Verl anscheinend auf Druck der Nobilia-Werke im Landschaftsschutzgebiet eine 24 Hektar große Fläche zur Erweiterung des Betriebes beantragt. Derzeit läuft dazu das sogenannte Regionalplanänderungsverfahren. Falls dieses Vorhaben durchgedrückt würde, sind massive ökologische Schäden zu erwarten.
Über Einsparungen von Stellplätzen, wenn ein gutes ÖPNV-Angebot besteht, wird nicht nachgedacht.
Unbekannt ist auch, ob die Verlagerung von Betrieben von einer Kommune in eine andere mit einer Erhöhung der allgemeinen Beschäftigung einhergeht.
Unbekannt ist ebenso, wie viele Freiflächen welcher Art bereits im Außenbereich in Anspruch genommen wurden.
Bedenklich sind neue Ausweisungen von Gewerbeflächen in der freien Landschaft, obwohl es Reserveflächenüberhänge gibt. Seit über zehn Jahren sind Kommunen durch den Regionalplan der Bezirksregierung aufgefordert, die „teilweise erheblichen Reserven an betriebsgebundenen Flächen“ anderweitig nutzen zu lassen. Besorgniserregend ist der Flächenverbrauch durch Logistikunternehmen und großflächigen Einzelhandel (Versmold/Borgholzhausen, Halle).
Auch übergeordnete Stellen setzen dem „Flächenfraß“ keine ausreichenden Grenzen. Unserer Meinung nach sorgen Bezirksregierung und Land NRW noch zu wenig dafür, dass die Flächen sparenden Regeln des Raumordnungs- und des Baugesetzbuch strikt umgesetzt werden.
Es fehlt ein entschiedenes Umsetzen eines kommunalen Flächenmanagements, wie es z. B. der Rat der Stadt Werther in „Kommunales Flächenmanagment – Entwicklungschancen für die Kommunen“ bereits beschlossen hat.
Positiv hervorzuheben sind zahlreiche Sanierungen und Umnutzungen von Altstandorten und Brachflächen, etwa in Gütersloh und Rheda-Wiedenbrück.
GNU-Sprecherin Marion Ernsting erinnert daran, dass bereits 1985 Bund und Länder in einer „Bodenschutzkonzeption“ zu Flächen sparendem Bauen aufgefordert hatten. „30 Jahre später geht die Zersiedlung unvermindert weiter, als wäre Boden und Landschaft unendlich verfügbar“, kritisiert Ernsting. „Freiraum ist kein Bauraum. Es geht jetzt darum Bauraum mit modernen Mitteln umzunutzen.“ Hier müssen Bund, Länder, Kommunen und auch die Wirtschaft noch radikaler umdenken. Kritik übt Ernsting in dem Zusammenhang auch an der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld: „Für die IHK ist der sparsame Umgang mit Freiflächen absolut kein Thema. Ganz im Gegenteil! Von der IHK werden nur solche Kommunen und Initiativen besonders gelobt, die schnell, großzügig und kritiklos alle Flächenwünsche der Firmen befriedigen.“ (siehe auch die Detmolder Erklärung)
Wir sind heute dafür verantwortlich, dass die uns übertragene Umwelt morgen noch zur Verfügung steht. Dafür setzen sich die Stiftung für die Natur Ravensberg und die Gemeinschaft für Natur und Umweltschutz im Kreis Gütersloh e.V. ein – bevor wir als Ballungsraum dazu gezwungen sind!
Die Umfrage und ihre erste Auswertung erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie ist eine Zwischenbilanz. Die GNU und die Stiftung für die Natur Ravensberg fordern dazu auf, keine Zeit mehr zu verlieren und die vorhandenen Konzepte energisch umzusetzen.
Informationen:
Marion Ernsting, Tel. 05204-3976
Lüdeke Horn, Tel. 05201- 665574